Holze mit em Vetter Chäpp

 

 Von Hans Speck

 

Gerne erinnere ich mich an die schöne Zeit in meinem Elternhaus zwischen Kirchweg und Postweg. Aufgewachsen bin ich am Postweg 4. Nach dem Tode meiner Grossmutter Katharina (Tidi) Schmuckli wechselten wir unser Domizil in das Haus gleich nebenan an den Postweg 6. Dieses Haus war zugleich auch das Elternhaus meiner Mutter. In diesem Zweifamilienhaus erlebte ich eine glückliche Jugendzeit. Das Gebäude bestand aus zwei Hausteilen. Auf der Wiggisseite wohnten die Specks, im andern Teil die Brüder Jost und Heiri Kubli. Hier in Netstal kannten man die beiden Herren unter ihren Pseudonymen «Salzwäger Heiri» und «Salzwäger Jost». Diese Übername waren kein Zufall. In der Tat wurde in den 30er- und 40er-Jahren dort noch Salz verkauft. Die Leute aus dem Dorf holten sich das «Weisse Gold» in Salzsäcklein. Gewogen wurde auf einer Waage mit verschiedenen Gewichtssteinen. In der Bevölkerung nannte man das Haus deshalb einfach «Alte Salzwaage».

 

 

«Holze» war eine Passion von Vetter Chäpp

 

Ebenso gerne erinnere ich mich an die schönen Stunden, wo ich mit meinem Vetter Chäpp Schmuckli mit Sägen und Stricken bewaffnet im Buchwald, genauer gesagt rechts von der Plänklirunse bis hin zur Stotzigwald-Risi, ins Holz ging. Zu sagen ist, dass der Vetter Chäpp eigentlich ein Onkel von uns Geschwistern, zudem Bruder meiner Mutter und Vater des Netstaler Originals mit gleichem Namen war. Vetter Chäpp besass damals wie alle anderen Tagwenbürger das Privileg, in den Netstaler Wäldern sogar Bäume zu fällen. Er tat das immer mit der nötigen Vorsicht und dank vielen Jahren Erfahrung äusserst routiniert. Für mich als kleiner Junge war das Fällen der Bäume immer sehr spannend. Mit der Säge – damals gab es noch keine Motorsägen – und Stricken in allen Grössen stiegen wir entlang der Plänklirunse hoch in das oberste Wäldchen, wo die ersten mächtigen Felspartien der Plänkliwand begannen. Vetter Chäpp war nicht nur ein ausgezeichneter Holzer, sondern auch ein routinierter Berggänger. Ich hatte alle Mühe, sobald es «obsi» ging, ihm mit meinen kurzen Beinen zu folgen. Oben angelangt fing ich an, meiner Grösse als 12-jähriger Bube entsprechend, die von Windwurf und Lawinen liegengebliebenen Äste und «Mugerä» einzusammeln. Dabei musste ich genau schauen, dass die Äste in der Länge ungefähr geich lang waren, damit ich nachher eine schöne «Burdi» machen konnte und Vater Speck sich an seinem Filius erfreuen konnte. Während dessen konzentrierte sich Vetter Chäpp auf das Fällen einiger Bäume. Er tat das nicht wahllos, sondern schaute genau darauf, wie der Zustand des Baumes war. Erst dann machte er sich an die Arbeit. Nach dem Fällen des Baumes gings es ans Entasten, bis der Stamm frei war von Ästen. Vetter Chäpp tat das mit einer kleineren Säge, die ich ab und zu auch benutzen durfte. Aus den abgesägten Ästen machte Vetter Chäpp eine «Burdi», die er vorerst einmal im Wald deponierte. Den Baum zersägte er in Rollen von etwa 1 Meter Länge.

 

Die Arbeit im Wald wurde nur durch ein «Zvieri» mit Käse, Wurst und Brot und etwas zum Trinken unterbrochen. Manchmal sahen wir Gämsen und Rehe, die in respektektvollem Abstand unsere Wege kreuzten oder in der «Stotzigwaldrisi» weideten. Für mich war der Wald stets ein Ort, wo ich mich gerne aufhielt. Das ist heute so, wenn die Pilzsaison anbricht, und wird es auch immer bleiben. Der Wald, für mich ein Ort voll von Ruhe, Stille und Entspannung.

 

 

«Was bringsch dä du da für näs huere Grischp»

 

Einmal war ich mit Vetter Chäpp einen ganzen Nachmittag unterwegs in seinem Holzer-Revier. Ganz schön viel Holz wurde dabei zusammengetragen. Ich war richtig stolz auf meine «Burdi», die ich auf meinem Rücken tragend voller Stolz nach Hause schleppte. In unserem Garten war mein Vater gerade daran, «Höggerli» zu pflanzen. Sein erster Kommentar, als er mich mit der «Holzburdi» daherkommen sah: «Was bringsch dä du wieder für näs huere Grischp». Diese dämliche Frage hätte mein Erzeuger besser unterlassen. Ich schmiss, auf gut Deutsch gesagt, den «Bettel», besser gesagt die «Holzburdi» in eine Ecke und entfernte mich gleich wieder von zuhause. Mit seiner Aussage vom «huere Grischp» hatte mich mein Vater zutiefst verletzt. Jedenfalls war Vater Julius ziemlich erstaunt über meine Reaktion Nach seiner unüberlegten Bemerkung «huere Grischp» war für mich das Thema «Holzen» endgültig erledigt. Der Frust in mir sass tief. Für mich war deshalb mindestens zwei Tage lang «grindlä» angesagt. Seit diesem besagten Tag ging ich nie mehr mit Vetter Chäpp ins Holz. Zu tief war ich beleidigt worden. Offenbar hat das viel später auch mein Vater festgestellt, denn viele Tage später brachte er so etwas wie eine Entschuldigung hervor und ich meinte, ich hätte in seinem Gesicht ein verstecktes Grinsen entdeckt.

 

 

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