Viil Lüüt gänd öppis

Von Hans Speck

 

Wer mich kennt, weiss es: Ich liebe Feste, Geburtstagsfeiern, kameradschaftliche Treffen. Kurz gesagt: «Gmüetli und luschtig mues es sii»! Und das gilt bis heute! Schon als Dreikäsehoch lief bei mir und meinen Freunden das ganze Jahr hindurch immer etwas, sei es im Kindergarten, später in der Schule oder als Mitglied im Mickey-Maus-Klub Altiger; später natürlich auch als pubertierender Jüngling, damals noch mit lockigem Haar. Aus dieser Zeit sind mir einige prägnante Erinnerungen geblieben. Von vorweihnachtlichen Veranstaltungen wie Klausumzug, Heilig Abend und Weihnachten habe ich bereits geschrieben. Die Feiern über Weihnachten und vor allem der Silvester waren meine absoluten Favoriten. Leider fehlte an diesen Familienfeiern mein Bruder Wisi, der in seiner zweiten Heimat im fernen Ecuador ebenfalls das neue Jahr einläutete, allerdings wegen der Zeitverschiebung sechs Stunden später. Ich habe die Abwesenheit meines Bruders Wisi immer sehr bedauert, aber zumindest in Gedanken waren wir uns auch am Silvesterabend sehr nahe.

 

Silvester muss gefeiert werden!

Der Übergang vom alten ins neue Jahr war für die Familie Speck ein wichtiges Ereignis, das gefeiert werden musste. Eine Silvesterfeier dauerte bei den Erwachsenen vielfach bis in die frühen Morgenstunden. Ab und zu war auch mein Götti, der Chäpp Schmuckli, mit dabei und feierte in mit uns den Silvester. Das 5-Uhr-Läuten der Kirchenglocken war vielfach das Zeichen, dass es langsam an der Zeit wäre, ins Bett zu gehen. Eigentlich sollte ich im Vorschulalter, zumindest war das die Meinung meiner Eltern, nach den guten Wünschen für das neue Jahr ab in die «Heia». Doch bis Vater Julius merkte, dass es langsam an der Zeit wäre, dass sein Filius ins Bett gehen sollte, war es vielfach schon weit nach Mitternacht. Das habe ich natürlich sehr genossen.

 

Schwiinis und Liinis

Genau wie am Heiligen Abend und an Weihnachten war das Festessen für den Silvesterabend vorprogrammiert. Einer uralten Tradition folgend, die offenbar schon meine Netstaler Grosseltern Adam und Tidi Schmuckli zu pflegen gewusst hatten, kochte meine Mutter am letzten Tag im alten Jahr die obligate feine Gestensuppe und zum Hauptgang «Schwiinis und Liinis». Zum Dessert gab es Merengue mit Nidel; viele Jahre später die unvergleichlich feine «Eugenie» von Konditor- und Bäckermeister Staub, ein Gedicht von einem Dessert. Zum Trinken gab es für die Erwachsenen Bier, Wein und als Verteiler nicht immer, aber immer öfters, etwas Hochprozentiges. Für meine schulpflichte Schwester Käthi und mich als Kindergärtler reichte es nur für «lötiges» Mineralwasser.

 

Das chaibä Fernseh

Unsere Familien- Silvesterfeiern waren immer cool und lustig, bis zu jenem Silvesterabend, als ein Ungetüm von einem neuen Möbel ab sofort die Szenerie in der warmen Stube der Familie Speck prägte. Vater hatte sich ein Fernsehgerät geleistet, das zur damaligen Zeit, Ende der 60er-Jahre, die Sendungen in einer äusserst schlechten Qualität in die Stuben der Schweizerinnen und Schweizer ausstrahlte. Damals beschränkte sich die Auswahl der Sender auf die drei Sender der deutsch, französisch und italienisch sprechenden Schweiz. Für den Empfang des Fernsehsignals im Glarnerland war der Sender Uetliberg zuständig, von dem man das Schweizer Fernsehen in schwarz-weiss empfangen konnte. Ab sofort dominierte diese «Glotze» den Silvesterabend. Wirklich schade, denn irgendwie zerstörte dieses Fernsehgerät auch das fröhliche Beisammensein und damit das Familien-Zusammengehörigkeitsgefühl. Ab sofort konzentrierte sich das Geschehen auf den Flimmerkasten, auf welchem wegen der schlechten Bild- und Tonqualität häufig nur ein «Schneesturm» auf dem Bildschirm zu sehen war.

 

… und viel Lüüt gänd öppis!

Kommen wir zum Haupttitel zurück: Am Neujahrsmorgen, gleich nach dem Frühstück, besuchten meine Schwester und ich unsere Nachbarn, um ihnen die besten Wünsche für ein gesundes und erfolgreiches Neues Jahr zu wünschen. Das war ebenfalls Tradition und gehörte zum guten Ton! «Ich wünsche ä guets Nüüs Jahr und bliibed si gsund». Und mit offener Handfläche darauf aufmerksam machend, dass nach dem Händeschütteln noch etwas fehlte, folgte der Nachsatz: «…und viel Lüüt gänd öppis»! Dieser Nachsatz entschied darüber, ob es ein erfolgreicher Start ins neue Jahr war oder ein katastrophaler Fehlstart. Jedenfalls hatte es dieser Nachsatz in sich, denn in den meisten Fällen konnte wir unser Sparschwein mit ein paar Neujahrsbatzen zusätzlich füttern. 

 

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