Geschichten aus der Jugendzeit

I dr Feriekolonie z Oberhelfenschwil

Von Hans Speck

Vor Jahren führte die Schule Netstal während den Sommerferien jeweils eine Ferienkolonie mit Schülern aus allen Altersklassen durch. Ob das heute immer noch so gehandhabt wird, weiss ich nicht. Jedenfalls bleiben für mich die 14 Tage im kleinen Toggenburger Bauerndorf Oberhelfenschwil als 12-jähriger unvergessen. Damals waren wir rund fünfzig Schülerinnen und Schüler, eine bunt gemischte Rasselbande im Alter zwischen neun und zwölf Jahren, die im einzigen Restaurant im Dorf, namens „Sonnenhof“ einquartiert waren. Unter der gestrengen Oberaufsicht von Lehrer Florian Riffel verbrachten wir ganze zwei Wochen bei mehrheitlich herrlichem Sommerwetter gemeinsam in einem Anbau des Restaurants. Die Schlafräume für Mädchen und Buben waren, wie es sich damals gehörte, durch eine dünne Holzwand säuberlich getrennt, was ich durchaus in Ordnung fand. In diesem Alter machten wir Jungs uns eben nicht so viel aus Mädchen. Fussballspielen, „Versteckis“ spielen, das „Schiitlispiel“ und anderes, manchmal wirklich Verrücktes, beherrschten unseren täglichen Ablauf. Umso schwieriger war die Situation für unseren lieben „Flöri“ samt seiner 4-köpfigen Entourage. Vor allem in der ersten Ferienwoche alle unter einen Hut zu bringen, war für die Verantwortlichen eine Herausforderung. Deshalb waren die Tage im Toggenburg vom ersten bis zum letzten Tag verplant. Auf dem Tagesbefehl standen meistens ausgiebige Wanderungen in der näheren Umgebung, mehrmals ging‘s an die Gestade des Neckar, wo wir nach gut zweistündigem Fussmarsch im eiskalten Flusswasser badeten. Es wurde gesungen, grilliert und gespielt. Gemeinsam mit einem Kollegen konnte ich die fröhliche Gesellschaft musikalisch unterhalten. Mein Freund Otto spielte Handorgel und ich Trompete. Unser Repertoire beschränkte sich indessen auf ganze drei Stücke. Absoluter Hit war der „Schneewalzer“ und wir mussten höllisch aufpassen, dass unserer Schulfreunde nach mehrmaligem Abspielen nicht einfroren. Bei den anderen zwei Stücken hielt sich die Begeisterung unserer Zuhörerschaft eher in Grenzen. Das zeigte sich darin, dass Applaus, das eigentliche Brot des Künstlers, mehrheitlich ausblieb. Was soll‘s, es war eine megalässige Zeit in Oberhelfenschwil.

Eines Tages allerdings war unsere Ferienkolonie in akuter Gefahr, frühzeitig abgebrochen zu werden. Was war geschehen? Nach einem opulenten “Chriesibrägel“ zum Nachtessen fühlten sich einige von uns vor dem Schlafengehen plötzlich unwohl und mussten sich übergeben. Die Seuche fing im Schlafsaal der Mädchen an. Unser „Flöri“ und seine Helfer hatten alle Hände voll zu tun, laufend gefüllte Eimer zu leeren, düsten von einem Bett zum andern und halfen den Bedauernswerten, so gut es ging. So nach und nach wurde es auch den Helfern übel und ganz am Schluss hörte man unseren „Flöri“ beim Bogenhusten. Erstaunlicherweise blieb ich von den bösen Käfern verschont und gemeinsam mit einer Frau vom Restaurant und einer Schulkollegin machte ich mich daran, die bleichgesichtigen Kolleginnen und Kollegen aufs Klo zu begleiten. Später wurde noch ein Arzt beigezogen und mit Zugabe von Kohle-Tabletten und viel Tee trinken beruhigte sich die Lage in den frühen Morgenstunden des anbrechenden Tages. Später habe ich mich gefragt, warum ausgerechnet ich von diesem Käferbefall verschont blieb. Da fiel es mir wie Schuppen vor den Augen: Mein Götti Chäpp hatte mir einmal erläutert, dass die Schmucklis - so hiess meine Mutter ledig - gegen Bakterien und Viren resistent sind. Gemäss Chäpp mussten im Dorf Netstal die alteingesessenen Schmucklis im 17. Jahrhundert, als in der Schweiz die Pest grassierte und viele Todesopfer zu beklagen waren, beigenweise Leichen aus den Häusern tragen. Obwohl die Pest, auch „Schwarzer Tod“ genannt, eine hochansteckende, bakterielle Infektionskrankheit war und in den meisten Fällen tödlich verlief, waren die Schmucklis, wie und warum auch immer, resistent gegen diese tödliche Krankheit. So hat es mir mein Götti erzählt und diesem konnte man ja bekanntlich „getrost“ Glauben schenken. Vielleicht ist hier die Begründung zu suchen, warum mir die bösen Darmbakterien in Oberhelfenschwil nichts anhaben konnten.