Geschichten aus der Jugendzeit

Statt "Chlepfer" gab's "Chlöpfer"

Von Hans Speck

 

Es war während meines Landdienstes im Jahre 1963 ein Tag vor dem Nationalfeiertag unserer Eidgenossenschaft. Für drei Wochen weilte ich auf Anordnung meines Vaters im basellandschaftlichen Maisprach. Alle Proteste gegen einen solchen Landdienst hatten bei meinem Vater nichts genützt. Knallhart verfrachtete man mich ins Auto von Förster Müller und im Beisein meines Erzeugers und meiner Mutter fuhren wir nach Maisprach im Kanton Baselland. Maisprach war in dieser Zeit ein reines Bauerndorf, gehört zum Bezirk Sissach und liegt zwischen Gelterkinden und Rheinfelden. Eingebettet inmitten einer hügeligen Landschaft, war das Dorf grossflächig umgeben von zahlreiche Obstbaumkulturen, hauptsächlich aus Äpfel-, Birnen- oder Zwetschgenbäumen bestehend. Es war die Zeit der Kirschenernte. So lag es nahe, dass meine Hauptarbeit in diesen drei Wochen hauptsächlich aus dem Ausmisten des Kuhstalles frühmorgens und stundenlangem Pflücken von Kirschen während des Tages bestand. "Chirsi günne“ heisst das in waschechtem basellandschaftlichem Dialekt. Nebst meinem Heimweh – ein Erbstück meiner Mutter – plagte mich in diesem Kaff eine permanente Langweile. Nebst dem Knattern vorbeifahrender Traktoren von frühmorgens bis spätabends und dem Lärm aus einer kleinen, heimeligen Beiz in der Nähe des Hauses meiner Gastgeber, in der am Feierabend bis in die späten Nachstunden mehr oder weniger angetrunkene Bauern sich mit lauten Stimmen übertrumpften, herrschte in diesem Kaff die ganze Woche absolut tote Hose.

Einzig am Geburtstag unserer Eidgenossenschaft am 1. August wurde von der Gemeindebehörde eine Feier mit Ansprache eines Servela-Prominenten, Vorträge eines Jodelklubs und einem abschliessenden Feuerwerk angesagt. Tags zuvor wollte ich, man könnte sagen "Macht der Gewohnheit“, irgendwo in einem Laden sogenannte "Chlepfer“ und "Weiberfürze“ einkaufen, genauso, wie ich es jeweils mit meinen Freunden in Netstal im kleinen Laden bei Frau Böni-Ronner an der Landstrasse gemacht habe. So beauftragte ich den jüngsten Spross der Bauerfamilie, in einem Fachgeschäft zwischen Magden und Buus zehn "Chlepfer“ einzukaufen. „Hol mir zäche Chlepfer“, lautete mein Auftrag! Der junge Bursche setzte sich unvermittelter Dinge auf sein "Pfupferli“ und brauste davon. Ungefähr eine Stunde später kam er mit einer grösseren Tragtasche wieder von seiner Einkaufstour zurück. „Da häsch dini Glöpfer“, sprach er in breitem basellandschaftlichem Dialekt. Schon bei der Übergabe der Tragtasche fragte ich mich, warum man dem Jungen für zehn "Chlepfer“ eine solche Tasche mitgegeben hatte. Das Rätsel war schnell gelöst. Zu meinem Schrecken lagen in der Tragtasche, schön verpackt in Metzgerpapier, zehn Servelas, im einheimischen Dialekt "Chlöpfer“ genannt. „Jänu“, habe ich mir gedacht. Unsere Nationalwurst, die Servela gehört ja schliesslich zum 1. August wie der Sankt Fridolin auf die Glarner Fahne. So gab es halt statt knallende "Chlepfer“ hervorragend mundende "Glöpfer“. Der 1.-August-Abend war somit trotz Kommunikationsproblemen gerettet!

 

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