Im Laufgitter gross geworden

Von Hans Speck

Kaum zu glauben, ich mag mich tatsächlich noch an die Zeit erinnern, wo ich zuhause in einem Laufgitter herumgekrabbelt bin. Ich mag so etwa im Alter von zwei bis drei Jahren gewesen sein, als mich meine Eltern in ein sogenanntes Laufgitter steckten. Ich weiss gar nicht, ob es heutzutage, in der Zeit der antiautoritären Erziehung, solche überhaupt noch gibt. Jedenfalls war das Laufgitter damals ein probates Mittel für die Eltern, ihre Zöglinge einigermassen im Zaume oder im wahrsten Sinne des Wortes im Zaune zu halten. Für meine sieben Jahre ältere Schwester war das natürlich optimal, musste sie mich doch nicht den ganzen Tag hüten.

Ein Laufgitter von damals hatte die Masse von zirka 150 x 150 cm und war rundherum umrandet von einem Holzzaun von etwa 50 Zentimeter Höhe. Im Gitter vielfach eingebaut war ein Rahmenzähler mit runden farbigen Holzrädchen. So gehörte auch ich zu den Laufgitter-Krabblern und ich mag mich noch gut erinnern, wie nebenan meine Mutter als gelernte Schneiderin ihre Schneiderarbeiten auf ihrer prähistorischen Singer-Nähmaschine verrichtete. Dieses technische Wunderwerk faszinierte mich schon damals, vor allem das grosse Antriebsrad mit seinen breiten Speichen, in welches ich, sehr zum Ärger meiner Mutter, während des Betriebs meine Spielsachen hineinwarf und so den Arbeitsrhythmus meiner Mutter immer und immer wieder störte. Mit ihren beiden Füssen setzte Mutter das technische Wunderwerk in Bewegung und den ganzen Tag, von wenigen kurzen Pausen abgesehen, ratterte ihre Nähmaschine immer im gleichen Stakkato. Die meisten meiner Spielsachen waren damals aus Holz. Ich mag mich noch an einen kleinen Holzklotz zirka 10x10 Zentimeter erinnern, der mit unzähligen kleinen Löchern durchbohrt war. In diese konnte ich kleine Stäbchen aus Holz einführen und dabei meine Geschicklichkeit prüfen. Heutzutage wären solche Spielsachen wegen Gefährdung kleiner Kinder verboten. Es könnte ja einmal passieren, dass ein solches Stäbchen – sie waren zwar abgerundet - beim Spielen ins Auge trifft.

Bald einmal, allerspätesten nach meiner ersten Flucht aus dem Laufgitter – ich war zwischenzeitlich gross genug, um selbst aus dem Laufgitter zu klettern – wussten meine Eltern, dass ihr kleiner „Nachfiesel“ nicht nur ein „gwehriges“ kleines Schlitzohr war, sondern künftig auch schwierig zu halten sein werde. Freiheit bedeutete für mich eben alles.

 

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